hund fängt snacks

Letzte Aktualisierung: 8. Oktober 2024 Text: Ingrid Blum

Wer bei Hunden von Belohnung spricht, meint meistens Futtergaben. Vergessen wird dabei, dass es für soziale Lebewesen viele andere Belohnungsformen gibt, die Verhalten verstärken.

«Lueg da, was i han, feini Guuutzi!», die Frau schwenkt den Arm hoch in die Luft, ihre Hand hält ein Stück Wurst gen Himmel. Den pelzigen Ansprechpartner scheint das Angebot nicht zu interessieren, am Ende der grossen Wiese verschwindet er schnüffelnd im Wald. Frauchen mit Wurst ist ihm sprichwörtlich «wurst».

Die Hündin zögert, streckt eine Pfote vor, zieht sie jedoch gleich wieder zurück. Die Hand mit dem lockenden Futter bewegt sich auf dem Hindernis und gehört zur Hundehalterin, welche ihrem Vierbeiner gerade beibringen möchte, auf den schmalen Balken zu springen.

Er weicht sofort aus, wenn die Hand mit dem feinen Futter näherkommt. Der Rüde ist sehr vorsichtig. Sein Besitzer gibt es auf, ihn draussen mit Futter zu locken. Er meint, der aus Osteuropa stammende Strassenhund sei heikel anstatt dankbar. Soll er doch zu Hause fressen, was es gibt.

«Cheere!» schreit es vom Feldweg her. Der Jungrüde bewegt sich in Freudensprüngen zum Bauernhof in die andere Richtung – denn da wohnt seine grosse Liebe, welche gerade läufig ist. «Und dabei habe ich heute extra feine Wienerli mit dabei!», ärgert sich der nun verlassene Hundehalter.

Warum hat Futter in manchen Situationen keinen Wert?

Jagen ist selbstbelohnend

Hunde, die jagend gerade über die Schwelle der Ansprechbarkeit abdriften, haben weder Auge noch Ohr für ihre Hundehalter und deren ach so verlockenden Esswaren. Das Hirn verarbeitet in dieser Situation nur gerade die Reize, welche dem erfolgreichen Beutemachen dienlich sind, alles andere wird ausgeblendet. Das macht in der Natur durchaus Sinn und sichert Überleben.

Unsicherheit belohnt sich durch Sicherheit

Wenn sich Hunde nicht trauen, gewisse Vorschläge des Menschen zu befolgen (z.B. auf einem Balken balancieren), sind Lockmittel in Form von Futter eher kontraproduktiv. Es könnte sein, dass ein sehr verfressener Vierbeiner dem Futter folgt und, weil nicht körperlich abgeschätzt, vom Balken fällt und sich verletzt. Dann käme dem Balken und vielleicht auch dem angebotenen Futter eine negative Komponente zu. Es würde eine Fehlverknüpfung entstehen, welche später zu Meideverhalten führen kann. Ebenso wäre möglich, dass der Hund die schlechte Erfahrung mit dem Menschen neben ihm verknüpft, was dem Vertrauen schadet.

Angst braucht Zeit

Ehemalige Strassenhunde meiden oftmals Hände, vor allem, wenn diese auf sie zukommen. Die gemachten Erfahrungen sind nicht löschbar. Meistens bedeuten Hände für solche Hunde Schmerzen. Je nach Individuum wird ausgewichen oder angegriffen. Das ist völlig verständlich und hat nichts mit Undankbarkeit zu tun. Solche Hunde stellen ihre eigenen Regeln auf, weil sie Verletzungen meiden wollen.

Kribbeln im Bauch

Verliebte Hunde haben meistens ein sehr schlechtes Gehör, wenn man sie ruft. Jenes spezielle Gefühl lässt im Magen auch keinen Platz mehr für Futter. Essen wird zur Unwichtigkeit. Voll gebliebene Futternäpfe sind in der Phase der Pubertät mit den dazu gehörenden ständigen Hormonschwankungen normal. Was sollte also das Wienerli gegen die «grosse Liebe» ausrichten?

Frust mit Futterbelohnung

Erstaunlicherweise sind viele Hundehaltende der Meinung, dass ihre Fellnasen auf die von ihnen angebotene Futterbelohnung in jeder Situation richtig zu reagieren haben. Der Frust über spezielles, nach menschlichem Ermessen wunderfeines Futter, welches dann doch verschmäht wird, ist gross. Aus dem Frust wächst eine stille Machtdemonstration, die auslöst, dass Mensch meint, sein Hund solle gefälligst auch ohne Belohnung folgen, wenn er schon so undankbar ist. Doch was heisst folgen? Es ist doch so, dass Mensch und Hund nur einem Vorbild folgen möchten, welches Vertrauen, Respekt, Freundlichkeit, Verlässlichkeit und einen fairen, liebevollen Umgang lebt. Vertrauen baut sich langsam auf. Es muss stetig gegenseitig versichert werden, um Bestand zu haben. So ist nicht Ziel, Futtergeschenke zu machen, aber es ist nötig, passende Geschenke in verschiedener Form zu machen und Antworten anzunehmen.

Freude machen

Der erste beschwerliche Weg des neugeborenen Welpen zur Zitze der Mutter belohnt ihn mit Futter, Wärme, Geborgenheit, Vertrautheit in Form des Geruches. Es ist also natürlich und wichtig, Hunde beim Lernen zu belohnen. Dazu braucht es Empathie. Stellen Sie sich einfach mal die Frage: Womit kann ich meinem Hund in welcher Situation eine Freude bereiten?

Antwort geben

Hunde sind wahre Meister im Lesen der menschlichen Körpersprache und des Körpergeruchs. Wer seinen Hund ansäuselt und innerlich vor Wut kocht, sollte mit dem Training pausieren, beiden zuliebe. Wenn wir von Hunden etwas erwarten oder ihnen beibringen möchten, dann ist eine Antwort unsererseits immer die wichtigste Reaktion. So kann der Hund verstehen, wenn wir ihn freundlich loben. Dies kann durch die Stimme und / oder Mimik erfolgen. Ganz sicher spürt der Hund unsere ehrliche Emotion dahinter. Somit ist ein erfolgreicher Umgang und ein schönes Zusammenleben beiderseits nur mit gegenseitigem Verstehen und Vertrauen möglich. Vertrauen braucht es, um sich auf den anderen «blind» einzulassen, was bereits belohnend ist. Verstehen heisst, dass wir Antworten des Hundes annehmen lernen, ebenso wie wir erwarten, dass der Hund unserem Vorschlag Folge leistet.

Verstärken durch belohnen

Verhalten, welches verstärkend belohnt wird, wird vermehrt gezeigt. Belohnungen sind nur gut und sinnvoll, wenn sie auch als Belohnung empfunden werden. Möglichkeiten, verstärkend zu wirken, sind z. B.: Aus einer Situation weggehen dürfen, von der Sonne in den Schatten gehen, nach der Arbeit Wasser trinken, im See baden dürfen, Freunde treffen, kuscheln, kauen, ruhen oder spielen sind je nach Empfindung und Wunsch sehr gute Belohnungen. Futterbelohnungen sind, wenn variabel mit Verstand bestärkt wird, sehr effektive Belohnungen. Dabei gilt: Nicht was der Mensch als speziell ansieht, muss dem Hund auch speziell gut schmecken!

 

Quelle: weltdertiere.ch

© Ingrid Blum ist dipl. Hundetrainerin nach T. Rugaas und dipl. tierpsychologische Beraterin I.E.T. mit eigener Hundeschule, www.hundeschule-fee.ch.