Letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2024 Text: Hans Peter Roth
Es kann um Leben und Tod gehen. 38 Sprengstoffspürhunde schnüffeln in der Schweiz heute nach Explosivstoffen. Diensthundeführer ist das intensivste Nebenamt, das sich ein Polizist aussuchen kann.
«Explosion reisst Unbeteiligte in den Tod.» «Sprengstoffattentat kostet mehrere Menschenleben.» Derartige Schlagzeilen häufen sich aktuell. Und wieder ruft dies unsere treuen Vierbeiner mit ihrem phänomenalen Riechorgan auf den Plan – in diesem Fall die Sprengstoffspürhunde. Sie können den Geruch verschiedenster Sprengstoffe in geradezu unglaublich feiner Konzentration wahrnehmen.
Zum Vergleich: Die Nase eines Deutschen Schäferhundes hat 220 Millionen Riechzellen. 20 Prozent seiner gesamten Gehirnleistung stehen allein für die Nase zur Verfügung. Im Gegensatz dazu verfügt ein Mensch gerademal über rund 5 Millionen Riechzellen, und 5 Prozent seiner Gehirnleistung sind für die Nase reserviert. Das fantastische Riechvermögen der Hundenase birgt teilweise bis heute wissenschaftliche Rätsel. «Ein Hund ist in der Lage, einen Geruch komplett auseinanderzunehmen und die einzelnen Komponenten zu erkennen», fügt Adrian Iten hinzu. Er ist als Ausbildner und Instruktor beim Diensthundewesen der Kantonspolizei Zürich verantwortlich für die Sprengstoffspürhunde.
Hohe Anforderungen
Die Sprengstoffspürhunde werden sowohl präventiv wie auch bei Interventionen eingesetzt. Permanent im Einsatz sind sie auf den internationalen Flughäfen. Dazu kommen Empfänge von Staatsgästen, Grossanlässe wie etwa die Street Parade oder grosse Generalversammlungen. Je nach Delikt und Verdachtsmoment werden auch bei Haus- oder Fahrzeugdurchsuchungen Hunde nach Sprengstoff schnüffeln. Und selbstverständlich sollen Sprengstoffspürhunde bei Bombendrohungen oder dem konkreten Verdacht des Vorhandenseins von Sprengstoff die sprichwörtliche Lunte riechen. Mit von der Partie ist immer auch ein ausgebildeter Entschärfer, unterstreicht Adrian Iten. «Dieser ist unentbehrlich, um allenfalls Sprengstoff sofort sicherstellen zu können – oder schlimmstenfalls zur Entschärfung einer Bombe.»
Weil es um buchstäblich brenzlige Situationen geht, sind die Anforderungen an Sprengstoffspürhunde besonders hoch, erklärt Iten weiter. Dazu gehört unter anderem, dass sich die Tiere weder durch grosse Menschenansammlungen und Lärm noch durch verschiedenste Gerüche ablenken lassen.
Spieltrieb als Antrieb
Wie bei der Ausbildung aller Spürhunde wird der Spieltrieb genutzt. Der Hund will sein Spielzeug finden. In diesem Fall sind es Rohlinge für PET-Flaschen mit Löchern, um den Geruch entweichen zu lassen. «Deren Innenseiten sind mit diversen Sprengstoffen und deren Komponenten bedampft», erklärt Diensthunde-Ausbildner Adrian Iten. Der Hund erhalte also über sein «Spielzeug» diverse Gerüche vermittelt. «Begonnen wird mit Basisstoffen wie Kaliumnitrat, Natriumchlorat, Schwefelblüte und Schwarzpulver. Danach werden Hexogen und Oktogen dazugefügt. Als Letztes kommen militärische und zivile Sprengstoffe hinzu.
Doch warum die Spürhunde nicht gleich auf die fertigen Sprengstoffe konditionieren? «Weil Sprengstoffe Träger verschiedenster Fremdgerüche sind, die dann mitkonditioniert würden», antwortet Iten. «Erst wenn der Hund die Komponentenstoffe intus hat, wird das Training ausgeweitet auf verschiedene Umgebungssituationen und Geruchsentwicklungen, also etwa von warm zu kalt und umgekehrt, sowie auf kurze und lange Versteckzeiten. Dazu kommt die Gewöhnung an Kleinst- und Grossmengen sowie Ablenkungen, um sicherzustellen, dass das Tier fokussiert bleibt.»
«Sehr erfüllend»
Und wieder wird offensichtlich, dass die 38 Sprengstoffspürhunde, die laut dem Polizeihundeführerverband zurzeit bei den Schweizer Polizeikorps im Einsatz sind, sehr viel unentgeltliche Arbeit bedeuten. «Man muss sich bewusst sein, dass die Diensthundeführer mehr Zeit mit ihren Hunden als mit der Familie verbringen», betont Iten: «Denn die Diensthunde sind Familienmitglieder zu Hause, die dann auch noch mit zur Arbeit kommen.» Um den Hund auf dem Ausbildungsstand zu halten und weiterzukommen, seien viel Herzblut der Diensthundeführer und Trainings in der Freizeit unabdingbar. «Zudem tut es einem Diensthund auch gut, wenn er bei einem längeren Spaziergang einfach mal Hund sein kann.» Für Adrian Iten steht ausser Frage: «Diensthundeführer ist das intensivste Nebenamt, das sich ein Polizist aussuchen kann. Doch die Möglichkeit, im Dienste unserer Sicherheit sein Hobby zum Beruf zu machen, ist sehr erfüllend.»
Quelle: weltdertiere.ch
© Hans Peter Roth ist freier Journalist, Geograf und Buchautor.