Spielende Hunde

Letzte Aktualisierung: 8. Oktober 2024 Text: Ingrid Blum

Welche Beschäftigung, Trainingsmöglichkeit oder Bespassung hilft dabei, den Hund richtig auszupowern? Und, ist es überhaupt nötiges Ziel, Hunde dermassen zu fordern, damit sie müde werden, oder möchten Hunde einfach nur Hund sein?

«Brings Balli!» ruft der Mann und schleudert den Ball an der Schnur in hohem Bogen über die Wiese, derweil sein Hund mit hysterischem Gebell losrennt, um den Ball noch im Fluge zu fangen.

Da kommt eine Bekannte mit hechelndem Hund neben dem Fahrrad. «Am Morgen läuft sie jeweils am Velo mit, das braucht sie, sonst bringe ich sie mit Agility, Longieren, Frisbee und Dogdancing allein nicht müde», erklärt mir die Frau mit einem gequälten Lächeln. Es sei halt schon mühsam, wie viel «Arbeit» dieser Hund brauche, um dann endlich mal schlafen zu können.

Da kommt eine Bekannte mit hechelndem Hund neben dem Fahrrad. «Am Morgen läuft sie jeweils am Velo mit, das braucht sie, sonst bringe ich sie mit Agility, Longieren, Frisbee und Dogdancing allein nicht müde», erklärt mir die Frau mit einem gequälten Lächeln. Es sei halt schon mühsam, wie viel «Arbeit» dieser Hund brauche, um dann endlich mal schlafen zu können.

Hundehalter sind verunsichert, wenn sie Ratschläge wie «Den musst du aber gut auslasten, damit er müde wird!» oder «Der braucht viel Auslauf und Beschäftigung, wenn er mal zur Ruhe kommen soll!» erhalten. Meist folgen auch gleich Vorschläge für «artgerechte» Beschäftigungen wie joggen, am Fahrrad laufen, Agility, Reizangel- und Ballspiele, Frisbee und was sonst noch so für Action sorgt. Wer einen aktiven Hund mit grosser Arbeitsfreude besitzt, glaubt meistens, dass er seinen Hund nur mit viel körperlicher Betätigung auslasten könne. Diese Aktivitäten aber trainieren den Körper, der dann immer mehr fordert, weil in der Gewöhnung das Bedürfnis liegt, mehr zu bekommen. Ausgelastet ist der Hund deswegen bei weitem nicht. Es kann dazu führen, dass so trainierte Hunde körperliche Anstrengung geradezu vorher brauchen, um danach zu entspannen, was einem Teufelskreis gleicht.

Wer passt wohin?

Bereits vor der Anschaffung eines Hundes muss man sich darüber klar werden, in welches Umfeld der Wunschhund einzieht. Ist er für diese Lebenssituation geeignet und bringt die Rasse ideale Eigenschaften mit? Bedeutet zu wissen, für welche Aufgaben gezüchtet wurde und welche Verhaltenstendenzen man aus der Arbeitsweise ableiten kann. Aufzucht und Individualität sind entscheidend, wie fordernd oder ausgeglichen Hundepersönlichkeiten werden. Hunde mit Deprivationssyndrom brauchen oft Jahre, bis sich eine Verbesserung im Verhalten zeigt, wenn überhaupt. Da sie zur Überaktivität, Ängstlichkeit, Nervosität sowie gestörter Impuls- und Frustrationskontrolle neigen, versuchen ihre Besitzer den Verhaltensweisen mit viel Bewegung entgegenzuwirken und erreichen damit eine Verschlimmerung des Zustandes.

Bälle fangen ist kein Spiel

Hunde, die Bällen, Stöcken oder anderen weggeworfenen Gegenständen hinterherhetzen, packen und zurückbringen, spielen nicht, sondern üben Jagdverhalten. Jagen ist selbstbelohnend. Die dabei ausgeschütteten Hormone versetzen Hunde in einen rauschähnlichen Zustand und können schnell zu Suchtverhalten führen. Sucht verhilft zwar zu Glücksgefühlen, ist aber niemals gesund. Solche «Junkies» sind meistens uninteressiert an ihrer Umwelt und an anderen Hunden, so dass sie sozial vereinsamen, was so mancher Besitzer leider nicht merkt und immer noch glaubt, sein Hund habe «Spass» am monotonen Ablauf. Indem er alles rundherum ausblendet, wirkt die Szene mit dem Ball tragenden Hund so, als wäre er super erzogen. In Wirklichkeit hat er aber nie gelernt, sich mit der Umwelt und seinen Artgenossen auseinanderzusetzen, weil er süchtig ist.

Müder Hund = gehorsamer Hund?

Hunde haben in unserer Gesellschaft bereits Berge von Anforderungen zu erfüllen. Dadurch, dass hündische Verhaltensweisen immer weniger toleriert werden, geraten viele Hundehalter in Druck. Bellendes Warnen, knurrendes Fernhalten, Abstand forderndes Zähneblecken wird oft als Verhaltensstörung angesehen. Dabei ist es egal, ob der Hund in der Wohnung bellt, weil ein Fremder kommt, oder ob er knurrt, weil sich jemand dem Grundstück nähert, oder ob er die Zähne bleckt, weil sich im Lift die Enge bedrohlich anfühlt. Diese Verhaltensweisen wurden von Menschen bewusst gefördert und geschätzt, aber leider sind es die heutigen Menschen, welche genau diese typischen Eigenheiten nicht mehr toll finden. Also muss Training her, welches den Hund müde macht und somit auch seine arteigenen Kommunikationsmittel einschlafen lässt. Geht das auf?

In der Ruhe liegt die Kraft

Die Energie, um längere Strecken von A nach B zu laufen, setzen Wölfe dann ein, wenn sie auf Futter- oder Partnersuche sind oder das Revier wechseln. Hauptbeschäftigungen sind hingegen Sozialkontakte pflegen, zusammen erkunden oder spielen, aber vor allem gemeinsam ruhen. Hunde sind gerne nah bei ihren Menschen. Neue oder bekannte Wege langsam schnüffelnd auskundschaften, sich munteres Treiben mal ruhig von sicherer Entfernung in Anlehnung an den vertrauten Menschen ansehen können und zu Hause entspannende Ruhephasen einschalten dürfen wirken «gut verdaulich».

Talente erkennen und fördern

In jedem Hund steckt besonderes Talent! Sehen Sie hin und probieren Sie aus, finden Sie gemeinsam die passende Beschäftigung und das richtige Mass! Nicht jeder Hund mag jede Beschäftigungsart, nur weil der Hundehalter sie mag. Manche Schablone der Erwartung passt nicht auf den eigenen Hund. Deshalb ist er nicht stur, sondern seine Vorlieben liegen woanders. Variantenreiche Hirn- und Nasenarbeit ist die sinnvollste Beschäftigungsmöglichkeit für fast alle Hunde. Gemeinsam unterwegs sein, wahrnehmen und einschätzen dürfen, vertrauen können, Schwieriges zusammen durchleben und gegenseitiges Verstehen sind anzustrebende Ziele, welche ausgeglichene und fröhliche Hunde hervorbringen. Weniger ist im Falle der Beschäftigung mehr. Unterforderung ist genauso krankmachend wie Überforderung.

Gesund müde

Der Mann mit dem Schleuderball hat inzwischen erkannt, dass das Verstecken und die anschliessende Suche nach dem Ball für ihn und seinen Hund viel spannender ist. Weil gemeinsame Freude am ruhigen Tun bindungsfördernd ist und die Kopfarbeit von Mensch und Hund gesund müde, aber auch zufrieden und glücklich macht, wurde aus einem einst hibbeligen Balljunkie ein ausgeglichener, sozialer und gesunder Hund. Sein Mensch entspannt.

 

Quelle: weltdertiere.ch

© Ingrid Blum ist dipl. Hundetrainerin nach T. Rugaas und dipl. tierpsychologische Beraterin I.E.T. mit eigener Hundeschule, www.hundeschule-fee.ch