Letzte Aktualisierung: 1. Oktober 2024 Text: Ingrid Blum
Es kann sein, dass Welpen durch winterliche Temperaturen in ihrer Aktivität und dem angeborenen Erkundungsdrang gehemmt werden. Wohingegen Welpen in wärmeren Jahreszeiten eher aktiver und häufiger auf Entdeckungstour gehen können. Welche Wahl, welcher Entscheid ist also richtig? Ist ein Pro oder Kontra Winter- oder Sommerwelpe überhaupt angebracht? Geht es nicht in erster Linie darum, den Hundezwergen den bestmöglichen, aufmerksamsten und liebevollsten Start ins Leben zu ermöglichen?
Es ist bitterkalt. Mit Morgenmantel und Stiefeln stehe ich nachts im Garten in hoffnungsvoller Erwartung, dass mein Welpe sich versäubert. Schneeflocken tanzen langsam vor meinen Augen und mein Welpe spielt mit ihnen Fangen.
Weder ein kleines noch grosses Geschäft scheint sich auf der ständig wachsenden Schneedecke ereignen zu wollen. Wieder in der warmen Stube zurück, rubble ich meinen Zwerg trocken und bin kaum fertig damit, als er sich auf dem weichen Teppich löst. Auf Knien robbend beseitige ich das Malheur kommentarlos. Es ist drei Uhr nachts und ich bin jetzt endgültig hellwach. Mein Welpe hingegen rollt sich genüsslich auf seiner Decke zusammen, die Augen fallen zu ... bis zur nächsten Unruhe. Eine Welpenübernahme im Winter scheint doch gewisse Herausforderungen bezüglich der Stubenreinheit an den Hundehalter zu stellen. Doch ist dies alles, was den Unterschied zu einem Sommerwelpen ausmacht?
Andere Zeiten, andere Voraussetzungen
Überlieferungen aus früheren Zeiten besagen, dass Winter-Welpen gesünder und robuster als Sommer-Welpen wären. Vermutlich kommt diese Erkenntnis daher, weil nur die kräftigsten Welpen in der harten Winterzeit überlebten. Es waren damals andere Voraussetzungen. Man brauchte die Hunde für die Arbeit am Vieh, als Wächter und Jagdhelfer. Hündinnen zogen ihre Würfe im Stall, Zwinger oder im Schuppen auf. Da gab es keine Rotlichtlampen zur wärmenden Unterstützung oder Zufütterung der Welpen geschweige denn Geburtshilfe. Was ein «guter» Hund werden wollte, musste aus eigener Kraft überleben lernen. Der erste beschwerliche Weg war jener zu den Zitzen der Mutter. Die Belohnung für diese Anstrengung war die erste Nahrung, sprich Überleben. Im Winter war auch das Nahrungsangebot für Alttiere knapp bemessen, so dass die Hündin selbst oft ums Überleben kämpfen musste, wenn sie nicht ausreichend gefüttert wurde. Der Energieverbrauch, um den eigenen Körper zu wärmen, war enorm hoch. Die natürliche Auslese nahm ihren Lauf: Es überlebten nur die gesunden und kräftigen Welpen, welche dann zu robusten Helfern des Menschen wurden.
Heutige Welpen werden in der warmen Stube gross
In der heutigen Zeit haben wir meistens ganz andere Ansprüche an unsere Hunde. Sie sind weniger Jagdhelfer, Treiber oder Wächter, sondern Familienmitglieder, welche bei uns mit im Haus leben und auch regelmässig ausgewogene Nahrung erhalten. Die Rasse oder Mischung wird gezielt ausgesucht und dann der geeignete Züchter ermittelt. Da Hündinnen übers ganze Jahr läufig werden können, deckt hier das Angebot fast jede Nachfrage. Es werden also meistens zu jedem Zeitpunkt im Jahr Welpen geboren.
Die Züchter sind bemüht, alle geborenen Welpen aufzuziehen, die natürliche Auslese entfällt meist. Oft wird der Hündin bereits bei der Geburt geholfen, indem der Züchter die Welpen von der Fruchthülle befreit, abnabelt und an die Zitze platziert. Der erste beschwerliche Weg wird zum leichten Transport in der «helfenden» Hand des Menschen. In der Wurfkiste gibt es vielfach ausser der natürlichen Wärmequelle von Mutter und Geschwistern auch eine Infrarot- Wärmelampe. Bei dieser Betreuung spielt es also keine Rolle, ob die Welpen im Sommer- oder Winterhalbjahr geboren werden. Die weitere Entwicklung aber gestaltet sich auch beim heutigen Züchter unterschiedlich. Viele Züchter leben mit ihren Hunden in ländlicher Umgebung mit eingezäuntem Garten. Dieser wird zum Erkundungsspielplatz in den ersten Lebenswochen. Doch auch im Garten liegt im Winter vielleicht Schnee, der Biswind fegt ums Haus und die Kälte treibt die jungen Hunde hinein ins warme Welpenzimmer.
Fürs Leben lernen
Ist es hingegen Sommer, wird der Züchter seine Zwergenschar ins Haus holen müssen, weil die Kleinen vom Auslauf nicht genug kriegen können und das Leben wie ein endloses Spiel scheint. Es wird im Wasser geplanscht, gebuddelt, am Wäschesack gezogen, aus der Giesskanne getrunken und wieder mit den Geschwisterchen gedöst. Untergründe wie Steinplatten, Holzböden, Kies, Gras etc. werden erkundet und mit allen Sinnen wahrgenommen. Sonnen- und Schattenplätze werden gesucht und gefunden, Vogelgezwitscher, Blütenduft, Insektengebrumm, Grillgerüche und vieles mehr speichert sich im lernenden Welpen-Gehirn ab.
Betrachten wir die Natur, so stellen wir fest, dass Nachwuchs in der freien Wildbahn mehrheitlich im Frühling geboren wird. Jungtiere wachsen mit dem Licht und der wärmenden Sonne ins Jahr hinein. Das Nahrungsangebot ist gross, die Temperaturen angenehm und die Tage werden länger. Die Sinne der Jungtiere entwickeln sich zuverlässig durch das Erkunden der Umwelt sowie dem Kennenlernen unterschiedlicher Bodenstrukturen und Hindernisse. Gefährliches und Ungefährliches wird fürs spätere Leben eingeordnet und abgespeichert.
Winter- und Sommerwelpen: Unterschiede aus heutiger Sicht
Die Frage stellt sich nun, welche Unterschiede es zwischen Winter- und Sommer- Welpen aus heutiger Sicht gibt. Geändert haben sich unsere Lebensumstände sowie die Erwartungen an Hunde in der heutigen Zeit. Die meisten künftigen Hundehalter wünschen sich einen gut sozialisierten, ausgeglichenen, souveränen und sicheren Hund im Alltag. Unverändert sind die Entwicklungsphasen des Hundes sowie die unterschiedlichen Jahreszeiten geblieben. Es kann also sein, dass Welpen gerade in der hochsensiblen Phase zwischen der 4. und 8. Lebenswoche durch die kalten, winterlichen Temperaturen in ihrer Aktivität und dem angeborenen Erkundungsdrang stark gehemmt werden. Wogegen Welpen in der wärmeren Jahreszeit wesentlich aktiver und häufiger erkunden und spielen können. Spielen und Erkunden sind Grundlagen des Lernens und der Entwicklung eines sicheren Wesens. Bestimmt kann auch in Innenräumen gespielt und ausgekundschaftet werden, dies ersetzt aber nicht die natürliche Umgebung. Die Erziehung zur Stubenreinheit kann sich bei Winterwelpen schwieriger gestalten und oft auftretende Blasenentzündungen gilt es zu vermeiden.
Welpen haben noch nackte Bäuche und frieren auch schnell. Kleine Rassen sind dem Boden näher, welcher die Kälte abstrahlt und somit wiederum schnell zum Frieren führt. In Welpengruppen kann es sein, dass die Kleinen durch die Kälte in ihrer Entwicklung gehemmt werden. Sie haben einfach nur kalt, zittern am ganzen Körper. In diesem Unwohlsein entsteht kein Antrieb, den spielerischen Umgang mit Artgenossen zu erlernen. Auch kurzhaarige Rassen sind nicht unbedingt begeistert davon, wenn in der Hundeschule das Hinlegen auf kaltem oder nassem Untergrund geübt werden soll (was leider immer noch an vielen Orten verlangt wird). In vielen Fällen eignen sich warme Mäntelchen, welche aber die Bewegungsfreiheit einschränken und zudem auf andere Hunde seltsam bedrohlich wirken können. Langsame Spaziergänge, bei denen der Welpe schnüffeln kann oder einfach mal an Ort und Stelle die Umwelt wahrnehmen darf, gestalten sich im Winter schwieriger als in der wärmeren Jahreszeit. Diese gemeinsamen Spaziergänge fördern die Bindung und sollten auch von Spass und Spiel begleitet sein. Zudem trifft man auf Winter-Spaziergängen weniger Leute mit Hunden an, die frühe Dunkelheit treibt die Menschen schneller nach Hause.
Vielfältige Sinneswahrnehmungen sind sehr wichtig
So betrachtet liegt es sicher auch an der eigenen Motivation, sich in der kälteren Jahreszeit draussen mit dem Welpen zu beschäftigen, ihm eine gute Sozialisierung zukommen und ihn spielerisch erkunden zu lassen. In der wärmeren Jahreszeit wird einiges einfacher, da man sich meist selber öfter im Freien aufhält. Ob im Garten, am Bach oder See, im Wald oder auf dem Feld, die Entdeckungsmöglichkeiten für nachhaltige Sinneswahrnehmungen sind sehr vielfältig und für die Entwicklung eines sicheren Wesens von grosser Bedeutung. Schlussendlich ist es ein Einschätzen der eigenen Persönlichkeit sowie das Abwägen aller möglichen Eventualitäten, um die Entscheidung für einen Winter- oder Sommerwelpen zu treffen.
Das Wichtigste beim Entscheid, ein Soziallebewesen wie den Hund in die Familie zu integrieren ist, den besten Züchter zu finden! Ein Züchter, der auf dem neuesten Wissensstand der Verhaltensbiologie ist und seinen Hunden den optimalen Start ins Leben ermöglicht, der für 10 bis 15 Jahre prägend sein wird. Wir wollen doch einen gut sozialisierten, ausgeglichenen, souveränen und sicheren Hund im Alltag, nicht wahr? Voraussetzungen für die mögliche Erfüllung dieser Wünsche liegen in den Händen des verantwortungsvollen Züchters.
Das Beste ist in jedem Fall, einen Welpen erst dann zu übernehmen, wenn man wirklich Zeit für ihn hat – ob im Winter oder im Sommer.
Quelle: weltdertiere.ch
Ingrid Blum ist dipl. Hundetrainerin nach T. Rugaas und dipl. tierpsychologische Beraterin I.E.T. mit eigener Hundeschule, www.hundeschule-fee.ch.