Hund auf Bett

Letzte Aktualisierung: 3. Oktober 2024 Text: Ingrid Blum

Hund auf Bett Hund auf Bett

Wer seinen Hund verloren hat und sich wieder einen pelzigen Freund ins Leben holen möchte oder sich den Traum vom eigenen Hund endlich erfüllen will: Jeder Mensch sieht die gemeinsame Zukunft mit dem Vierbeiner bereits bildlich vor sich. Was aber gehört dazu, damit der neue Hausgenosse sich gut einleben kann?

Man stellt sich vor, wie schön die gemeinsamen Spaziergänge werden, welche Wege man gehen wird und wohin die Ausflüge künftig führen. Die Bilder von anderen Menschen, die man mit ihren Hunden trifft und damit neue Kontakte knüpfen oder alte wieder vertiefen kann, tanzen durch die Phantasie. «Künftig» meint dann, wenn der vierbeinige neue Hausgenosse eingezogen ist und das Leben durch ihn bereichert wird.

Heute leben unsere Haustiere sehr viel enger mit uns zusammen, als dies früher der Fall war. Sie haben nur noch selten einen «Job» wie beispielsweise auf dem Hof Mäuse fangen oder das Haus bewachen. Sondern sie leben mit uns Menschen, weil wir sie mögen. Und das tut zumeist ihnen als auch uns seelisch gut. 

Was aber, wenn einer von beiden – Mensch oder Tier – ins mentale Ungleichgewicht kommt? Welche Wechselwirkungen kann dies auslösen? Ein aktueller Erfahrungsbericht von Dr. med. vet. Dunya Reiwald.

Verlorenes Vertrauen

Mit dem Einzug eines Welpen beginnt für den neuen Halter eine oftmals anstrengende Zeit. Das Hundekind erlebt das Herausreissen aus seiner vertrauten Umgebung, den Verlust seiner Mutter und seiner Geschwister als schrecklich. Biologisch ist es nicht vorgesehen, dass Kanidenwelpen an Menschen verkauft werden. In dieser neuen, nicht artgerechten Situation braucht der Welpe soziale Nähe, Sicherheit, Geborgenheit und viel Körperkontakt. Das bedeutet, dass der Mensch diesen Anspruch erfüllen muss, vor allem auch nachts. Wer den kleinen, einsamen Hund nicht im Bett haben möchte, sollte sich übergangsweise aufs Sofa oder eine Matratze betten, um dem Bedürfnis der Körpernähe gerecht zu werden. In ihrer Familie, sprich Rudel, würden die Kleinen niemals allein gelassen und ihre Schlafphasen verbringen sie beim Kontaktliegen mit Geschwistern und Eltern. Kanidenwelpen müssen mühsam lernen, in eine familiäre Sozialstruktur hineinzuwachsen. Dabei brauchen sie die Unterstützung des neuen Menschen. Die Vermittlung eines Wir-Gefühls steht an erster Stelle, um einen bedeutungsvollen Vertrauens- und Beziehungsaufbau anzubahnen.

Ortsbindung

Welpen sind bis ca. 14. bis 16. Lebenswoche ortsgebunden. Sie würden also freilebend bis zu diesem Alter um den Höhleneingang und im nahen umliegenden Gelände unter Aufsicht bleiben. Wenn der Welpe nun vor dieser Zeit bereits sein Zuhause verliert, gilt es vorerst, das neue Heim mit all den fremden Menschen, Gerüchen, Geräuschen, Räumlichkeiten etc. gründlich kennen zu lernen. Lebt im neuen Haushalt ein älterer Hund mit sozial positiver Einstellung für Welpen, hat der Kleine Glück gehabt. Er wird sich dem grossen «Freund» anschliessen wollen. Die Fähigkeit zur Bindung an eine andere Art, also an den Menschen, entwickeln Hundewelpen erst ab der 14. Lebenswoche. Das bedeutet, dass sie dem Menschen zwar nachlaufen, aber noch keine emotional stabile Beziehung und kein Vertrauen aufgebaut haben. In dieser ersten Zeit sind Anwesenheit und geregelte, klar strukturierte Tagesabläufe wichtig, damit sich der Welpe daran orientieren kann. Zur Versäuberung geht man vor das Haus, immer an denselben Ort und nach verrichteter Tätigkeit wieder hinein. Im Haus gibt es genügend Dinge, die zusammen erkundet werden können. Sei dies ein Schrank, eine Schublade, der Keller, ein anderes Zimmer usw. Gemeinsame Unternehmungen stärken die Vertrautheit, welche es braucht, um den Hund ausserhalb der eigenen vier Wände zu führen. Spaziergänge von wenigen Minuten (Lebenswochen = Minutenanzahl) können nach ein bis zwei Wochen Eingewöhnungszeit nur im Haus und Garten langsam angegangen werden. Die Spaziergänge sollten immer vom eigenen Haus weg und auf dem gleichen Weg wieder zurück führen. So kann sich der kleine Hund auf bald Bekanntes und Neues einstellen. Je nach Entwicklung und Erregungslevel können die Spaziergänge erweitert oder verkürzt, an der Zahl reduziert oder gesteigert werden. Wichtig ist, dass der Welpe sich auf den neuen Menschen verlassen kann, ausgiebig schnüffeln, beobachten und wahrnehmen darf.

Neuorientierung

Übernommene Hunde aus zweiter Hand oder vom Ausland-Tierschutz sind in ihrer Persönlichkeit zu verstehen. Sie alle bringen eine Geschichte mit und meistens einen Sack voller Erfahrungen oder Defizite. Sie sind oft zwangsemigriert, vielleicht von ihrer Hundefamilie plötzlich getrennt worden. Auch diese Hunde sollten sich zuerst im neuen Zuhause orientieren dürfen. Dazu braucht es viel Zeit und Zutrauen und einfach mal Seinlassen. Ein geschützter, ruhiger Rückzugsort sowie freier Zugang zu frischem Wasser sollte wie beim Welpen zur Verfügung stehen. Es gibt Hunde, die sich gerne zu Beginn verkriechen, andere wieder brauchen den Überblick. Hier sollte der Hund gut (unbemerkt) beobachtet werden, wohin es ihn im Wohnbereich zieht.

Auf das Baden und auf unnötige Einwirkungen sollte in der ersten Zeit verzichtet werden. Zur Versäuberung kurz hinausgehen reicht für die erste Woche, lange Spaziergänge oder Autofahrten sollten vermieden werden. Vertrauen aufbauen bedeutet, Zeit geben, die Grundbedürfnisse erfüllen, Ruhe und Souveränität vermitteln, die Persönlichkeit annehmen und einen respektvollen Umgang leben. Vor sich hinsprechen oder lesen oder sogar singen erlaubt eine andere Atmung, was sich auf den Vierbeiner weniger fokussierend auswirkt.

Einleben

Stellen Sie sich vor, Sie wären an einem neuen Urlaubsort. Bestimmt würde es Ihnen helfen, wenn Sie zuerst Ihr Zimmer besichtigen könnten und danach das ganze Haus und die nähere Umgebung, um sich orientieren zu können. Hunde brauchen Zeit, sich an den neuen, oft anders sprechenden Menschen als bisher gekannt zu gewöhnen. Wenn dieser dann schon Dinge einfordert, die der Hund weder versteht noch kennt, gibt es Frust auf beiden Seiten. Versuche, sich durch Körpersprache und Stimmlage zu unterhalten, ist die erfolgversprechende Variante.

Erwartungen

Wünsche des Menschen sind oft gross und stehen mit einer ungewöhnlichen Selbstverständlichkeit im Raum. Wir haben die Möglichkeit zur Empathie, wir können uns also in dieses gerade adoptierte Lebewesen hineinversetzen. Mit neuen Situationen umgehen heisst, neue Situationen erst mal kennen zu lernen, einschätzen zu können und Strategien zur Bewältigung zu entwickeln. Es ist das gegenseitige Kennenlernen, welches Zeit braucht. Grundsätzlich sind Hunde bereit, einem anderen zu trauen, wenn dieser die Fähigkeiten besitzt, souverän und fair aufzutreten, schadlos durch die Umwelt zu führen, Konflikte abzuwenden, Gefahren auszuweichen, und schützend vor den Geführten steht sowie für dessen mentales und körperliches Wohl sorgen kann.

Das Wir-Gefühl

Bei Welpen entscheidet das erlebte Wohlbefinden der ersten Zeit über die Bereitschaft und das Vertrauen, sich an den neuen Menschen zu binden, ihm zu «folgen», seine Entscheidungen anzunehmen und dabei sich selber sein zu dürfen. Bei übernommenen Hunden entscheidet sich die Bereitschaft zur Kooperation bei der ersten Begegnung mit dem neuen Menschen. Nimmt dieser respektvoll, authentisch freundlich in Körpersprache und Tonfall die Persönlichkeit an, ist der Weg frei. Auf diesem können jedoch Herkunft, Rasse, Erlebnisse und Defizite Stolpersteine sein, die sich oftmals nicht beseitigen lassen.

 

Quelle: weltdertiere.ch

Ingrid Blum ist dipl. Hundetrainerin nach T. Rugaas und dipl. tierpsychologische Beraterin I.E.T. mit eigener Hundeschule, www.hundeschule-fee.ch.