Letzte Aktualisierung: 1. Oktober 2024 Text: Ingrid Blum
Welpenkurse sind in etwa so heikel wie die Aufzucht. Es beginnt damit, ob eine Hundeschule alle Welpen einfach annimmt, Bezahlung pro Stunde, jekami. Ob Maxi und Mini zusammenpassen ... egal, die müssen da durch und machen das selber aus! Leider eine alltägliche Erfahrung. Ergebnis: Traumatisierte Zwerge und die Grossen dank Körpermasse mit reichlich Mobbing-Erfahrung entlassen.
Die Frau weint. «Da muss er durch», ächzt die Trainerin und drückt den winselnden Welpen fester zu Boden. «Er soll lernen, dass er sich nicht so benehmen darf!» Die Frau möchte ihrem Hund helfen, traut sich aber nicht, da sie glaubt, die Trainerin wisse es besser.
Fazit: Der Welpe wird von einer wildfremden Person an einem für ihn völlig unbekannten Ort tierquälerisch behandelt. Die Halterin sieht weinend zu, während der Welpe um Hilfe schreit. Später wird der erwachsene Hund alles selber regeln wollen, da er schon früh erkannt hat, dass er sich auf seinen Menschen nicht verlassen kann.
«Zieh sie an der Leine hinter dir rein, damit sie lernt, dass du keine Angst hast und vorausgehst – du bist der Boss!», ruft die Trainerin der Kundin mit dem Kleinhund, der sich in die Vorderpfoten stemmt und nicht weitergehen will, zu. Die junge Frau hat sich hier angemeldet, weil die vielen Auszeichnungen der Trainerin sie beeindruckt haben. Ihr Mini blockiert weiter, zittert am ganzen Körper. Die Trainerin ruft erneut, die Frau leistet Folge. Auf dem Platz muss sie den zitternden Welpen frei lassen, sich von ihm entfernen, soll ihn ignorieren. Andere Kleinhunde walzen den Mini nieder. «Die machen das schon untereinander aus!», ruft die Trainerin, «Hund ist Hund!», meint sie im Ernst. Das Bauchgefühl der Frau sagt etwas anderes, dennoch überlässt sie ihren Hund dem traumatisierenden Szenario.
Fazit: Der Kleinhund zeigt später vor jedem Hund panische Angst und bellt schon von weitem hysterisch. Versuche der Frau, den Kleinen zu beruhigen, enden mit Umsichbeissen, was bereits zu Verletzungen geführt hat.
«Ich bin froh, wenn er mal drunterkommt, er ist zu Hause sehr dominant, beisst uns in die Hände und rennt wie wild umher!», sagt der Mann mit ernster Miene. Der Trainer teilt den grossen Welpen zu den etwas älteren ein. Kaum sind alle frei, haben die bereits Dagewesenen den Neuen im Visier. Dieser versucht durch Schnüffeln herauszufinden, wo er ist – doch schon wird er zum Pseudohasen und läuft um sein Leben. «Ein schönes Spiel!», ruft der Trainer begeistert und der Halter freut sich, dass sein Welpe nun auch mal «drankommt». Fazit: Später beklagt der Halter den schlechten Rückruf und bemängelt die Bindung seitens seines Hundes. Er sei aggressiv, greife fremde Hunde sofort an und höre nicht auf ihn.
Wie es ist
Die Verantwortung für das Hundekind liegt beim Menschen, der oft mehr verlangt als vom erwachsenen Hund. So sollen Welpen auch unter Ablenkung mit ihrem Menschen spielen, Hindernisse bezwingen trotzdem der Spielkumpel daneben hüpft. Der Rückruf soll klappen, denn sonst hat Hund keine Bindung.
Ist der Welpe grob, knurrt oder droht, heisst es, dass er dies auf keinen Fall darf. Mancher Trainer «unterwirft» ihn dann auf den Rücken, bis er sich «ergibt», weil dies anscheinend Hunde und Wölfe untereinander auch tun. Es ist erwiesen, dass diese Methoden weder erzieherisch noch artgerecht sind. Sie fallen jedoch durch psychische Einschüchterung des Hundes und Zufügung von Schmerz unter «verbotene Handlungen» im Tierschutzgesetz. Nackenfellschütteln hält sich ebenfalls als «artgerechte» Korrektur. Wer seinen Hund durch diese Handlung in Todesangst versetzt, wird straffällig. Das Wegbinden von überdrehten Welpen, um ihnen dann Rütteldosen anzuwerfen, wenn sie nicht still sind, zeugt nicht von hundegerechtem Umgang, sondern von Unfähigkeit. Solche Szenen zeigen, dass mit dem Trainer dort etwas nicht stimmt, ebenso mit dem Hundehalter, der einfach zusieht.
Start
Welpen, die das erste Mal in eine Stunde kommen, sind schon bei der Ankunft gestresst. Sie haben alles bisher Bekannte auf einen Schlag verloren. Sind im neuen Haushalt keine anderen Hunde, fehlt die innerartliche Kommunikation. Die Fähigkeit zur Bindung an Menschen entsteht erst mit 14 Wochen. Für den zahnenden Welpen, der nun aus dem Auto gehoben wird, ist alles fremd. Dann sieht er einen Artgenossen und möchte zu ihm. Wie gut oder schlecht wird die erste Begegnung bei beiden Welpen abgespeichert? Den ersten Eindruck kann man nicht wiederholen. Es ist Pflicht der Verantwortlichen, vorab abzuklären, welche Welpen teilnehmen. Wissen über Rassen, Lern- und Entwicklungsvorgänge sowie die verhaltensbiologische Bedeutung sollen Basics der Gruppenleiter sein. Wer bei Welpen nicht neueste Erkenntnisse umsetzt, legt bei diesen Hunden, durch den traumatischen Umgang im Welpenkurs, den traurigen Weg für ihre nächsten 10 Jahre fest.
Worum es geht
Welpen zu ermöglichen, andere Rassen kennen zu lernen und verlorenes Spiel fortzusetzen, scheint sinnvoll. Die Möglichkeit, kontrolliert wenige Artgenossen zu treffen und sich mit ihnen über Erkundungs- und Spielverhalten auszutauschen, wäre optimal. Sprachsignale werden unterschiedlich eingesetzt. Es ist wichtig, dass kleine und grosse Hunde die Signale anderer Artgenossen verstehen und selber ausprobieren, wie ihre Antwort wirkt.
So darf es sein
Der kleine gefleckte Welpe sitzt auf dem Schuh seines Menschen und sieht sich die Szene aus sicherer Entfernung an. Ein anderer, kräftiger schwarzer Welpe kommt neugierig näher und beschnuppert den vorsichtigen Zwerg. Dieser zeigt kurz knurrend die spärlich vorhandenen Zähne, löst sich betont langsam vom Schuh und begibt sich mit hängender Rute hinter seinen Menschen. Der neugierige Schwarze dreht ab und wendet sich einem Wuschel in seiner Grösse zu. Das üppige Fell ist für den Schwarzen spannend. Langsam tasten sich beide unter Austausch verschiedener Signale aneinander heran. Vorderkörper tief, Pfoten nach vorne, Rute in die Höhe und schon beginnt ein kurzes Laufspiel, erkennbar an übertriebener Bewegung und Spielgesicht.
Der gefleckte Welpe sieht dem Treiben zu, in sicherem Körperkontakt mit seinem Menschen. Die beiden anderen überpurzeln sich und beginnen mit Maulringen. Die Situation wird danach in Ruhe aufgelöst. Menschen sitzen mit ihren Welpen in gutem Abstand zu den anderen Teams auf dem Boden. Die Welpen beruhigen ihre Aufregung durch Kauen auf gereichten Kauartikeln, die Menschen hören den Erklärungen der Trainerin zu, stellen Fragen und bekommen Antworten, die dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Mensch und Hund verlassen die Stunde in Ruhe, mit gutem Bauchgefühl.
Quelle: weltdertiere.ch
Ingrid Blum ist dipl. Hundetrainerin nach T. Rugaas und dipl. tierpsychologische Beraterin I.E.T. mit eigener Hundeschule, www.hundeschule-fee.ch.